Auditive Wahrnehmung und kritische Bandbreiten:

     
5. Kritische Bandbreiten
Das Energiespektrum-Modell
Profilanalyse
Comodulation Masking Release
Modulation Discrimination Interference
Auditive Objektwahrnehmung (Auditory Grouping)
Literatur + Quellen
7. Anwendungen
Hilfe
 
Projekt-
Dokumentation
     
  Filterübergreifende Verarbeitung
und Grenzen des Filtermodells:
Zusammenfassung
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Das Filtermodell des peripheren auditiven Systems und die Annahmen des Energiespektrum-Modells reichen aus, um die meisten Maskierungseffekte zu erklären bzw. vorherzusagen. Die wichtigsten Annahmen des Energiespektrum-Modells sind:

  • Auditive Filter sind getrennte Verarbeitungskanäle. Komponenten komplexer Schallsignale, die in verschiedene Filterbandbreiten fallen, werden getrennt verarbeitet.
  • Um ein Signal aus einem Hintergrundgeräusch herauszufiltern, bedient sich das Gehör eines einzelnen Filters, dessen Mittenfrequenz möglichst nahe der Signalfrequenz liegt.
  • Zur Maskierung des Signals tragen nur die Komponenten des Rauschens bei, die denselben Filter passieren wie das Signal.
  • Das Gehör nutzt den Filter, der den größten Signal-Rauschabstand aufweist.

Eine Reihe von experimentell nachgewiesenen Effekten widerlegt jedoch dieses Modell unter bestimmten Umständen, meist im Zusammenhang mit zeitlichen Veränderungen der Schallsignale.

Profilanalyse bezeichnet die Fähigkeit des Gehörs, Unterschiede in der Form des Spektrums zu entdecken. Diese Fähigkeit beruht auf einem Vergleichsmechanismus über mehrere Filter hinweg. Das heißt, die Filter sind nicht gleichbedeutend mit unabhängigen Verarbeitungskanälen.

Comodulation Masking Release zeigt, dass Maskierungseffekte nicht nur von der Zusammensetzung des Spektrums, sondern auch von zeitlichen Veränderungen des Störschalls abhängt. Comodulation Masking Release bedeutet, dass sich die Wahrnehmbarkeit eines Testtons in Breitbandrauschen verbessern kann, wenn die Rauschkomponenten gemeinsam moduliert werden. Der Effekt tritt auch ein, wenn sich die Rauschkomponenten in großem Frequenzabstand zum Testton befinden und sich nicht auf den entsprechenden auditiven Filter auswirken können.

Modulation Discrimination Interference ist die Bezeichnung für eine Verschlechterung der Wahrnehmung von Veränderungen der Modulation einer (Test-) Trägerfrequenz, wenn gleichzeitig weitere modulierte (Maskierungs-) Signale in weitem Abstand des Testsignals dargeboten werden. Modulation Discrimination Interference ist ein Hinweis darauf, dass das Gehör unter bestimmten Umständen nicht in der Lage ist, das Ausgangssignal eines bestimmten auditiven Filters auszuwerten, obwohl dies für eine beabsichtigte Unterscheidungsleistung nützlich wäre.

Auditive Objektwahrnehmung (Auditory Grouping)

Auditive Objektwahrnehmung ist ein Ansatz zur Erklärung der erstaunlichen Fähigkeit des Gehörs, in unserer komplexen akustischen Umwelt mühelos und eindeutig Schall bestimmten Quellen und Ereignissen zuordnen.

Der Ansatz beruht auf der Gestaltpsychologie. Die allgemeinen Prinzipien der perzeptuelle Organisation aus der Gestaltpsychologie können Hinweise darauf geben, wie das Gehör die physikalischen Eigenschaften der Reize analysiert und zu Streams und Objekten gruppiert.

Die wichtigsten Prinzipen sind:

  • Ähnlichkeitsprinzip: Töne, die einander in der Klangfarbe oder Tonhöhe ähnlich sind, werden als zusammengehörig wahrgenommen.
  • Gestaltgerechte Linienfortsetzung: Zeitliche Veränderungen in Tonhöhe, Spektrum, Lokalisation etc. sind meist kontinuierlich. Kontinuierliche Übergänge signalisieren Zusammengehörigkeit.
  • Gemeinsames Schicksal: Veränderungen von Frequenzkomponenten, die von einer Quelle stammen, betreffen meist alle Frequenzkomponenten gemeinsam. Sie beginnen gemeinsam, verändern sich und enden meist gemeinsam.
  • Gute Verlaufsgestalt: Wird eine Komponente des Schalls zeitweise maskiert, wird sie dennoch als kontinuierlich wahrgenommen, solange keine direkten sensorischen Hinweise vorliegen, dass sie unterbrochen wurde.

Der - für die Psychoakustik - relativ junge gestaltpsychologische Ansatz, der an natürlichen Hörsituationen orientiert ist, kann einen Weg zur Erforschung komplexerer psychoakustischer Phänomene weisen. Dort stößt der Ansatz der klassischen Psychophysik, die Hörwahrnehmung aus der Summe der Wahrnehmungen von einzelnen Elementen der Empfindung zu erklären, offensichtlich an seine Grenzen.

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